Anarchie ist kein Chaos! Uns ist wichtig, in der Nachbar:innenschaft und darüber hinaus solidarische Netzwerke und Strukturen aufzubauen, um uns gegenseitig zu helfen, Ressourcen und Fähigkeiten zu teilen und soziale Verbindungen zu stärken, damit wir kollektiv unabhängiger und handlungsfähiger sind. Im Grunde geht es uns darum, mit der Natur zu leben und uns als Menschen zu begegnen. Wir finden die Konzepte von Privatisierung und sozialer Isolation traurig und wollen aktiv was dagegen tun. Es geht auch darum, Strukturen aufzubauen, die nachhaltig und für alle zugänglich sind und die unabhängig vom kapitalistischen Wirtschaftssystem funktionieren. Das derzeitige Wirtschaftssystem lehnen wir ab, da es die Natur zerstört (Ökozid), Tiere und Menschen ausbeutet, ihre Lebensräume zerstört, sie zur Flucht zwingt und mit dem das Leben keine Zukunft hat.
Was ist denn eigentlich Anarchismus?
Anarchismus ist eine politische Ideenlehre und Philosophie, die Herrschaft von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der Unterdrückung von Freiheit ablehnt. Das bedeutet eine dezentrale Organisierung der Gesellschaft auf der Basis von Selbstbestimmung und Selbstverwaltung (man könnte es auch basisdemokratisch nennen). Der Anarchismus gibt keine Schablone vor, er orientiert sich an den Bedürfnissen der lokalen Gruppen. Zentral sind Werte wie Feminismus, Antispeziesismus, Antirassismus und andere Bestrebungen gegen Diskriminierungen. Im weiteren Sinne werden auch Regierungen, die Staaten bilden, abgelehnt, da sie absolute Herrschaftsprinzipien verfolgen und die Interessen der Reichen und Mächtigen mit Gewalt durchsetzen.
Der Öko-Anarchismus (auch grüner Anarchismus, post-zivilisierter Anarchismus) geht davon aus, dass der Lebensstandard, den die Menschen in der westlichen Industriegesellschaft anstreben, kein Standard für eine Zukunft für alle ist und allen schadet – den Menschen, denen ihre Lebensräume von Großkonzernen genommen und sie gezwungen sind, abhängig und in Armut zu leben, den anderen Spezies, die ohne jede Moral ausgebeutet und ausradiert werden, der Natur und ihrer einstigen Artenvielfalt, sowie den Zivilisierten Menschen selbst, der unter Zivilisationskrankheiten sowohl gesundheitlich als auch psychisch leidet (Stress, soziale Isolation, mangelhafte Bewegung und Ernährung, …) und der sich mit kapitalistischen Konsumgütern zu vertrösten versucht. Der uns bekannte Lebensstandard ist eurozentristisch und basiert auf der Historie des Kolonialismus. Wir formulieren die Standards von uns ausgehend und haben Menschen in anderen Kulturen im Kolonialisierungsprozessen gewaltvoll unser System aufgedrückt, obwohl sie es gar nicht haben wollen. Indigene Menschen und Menschen, die grundsätzlich naturnah leben, wissen, was ein intaktes Ökosystem ausmacht und welche Haltung gegenüber der Umwelt und Gemeinschaft dafür notwendig ist (Commoning). Wir sollten auf sie hören und uns mit ihnen zusammen organisieren.
Wir wollen lernen, uns wieder auf das zu berufen, was wir wirklich brauchen, Hand in Hand mit der Natur und mit anderen Menschen und Spezies leben, setzen uns für Ernährungssouveränität ein, nutzen die bereits bestehenden Ressourcen, teilen, reparieren und versuchen aufzufangen, was überproduziert wird (z.B. Foodsharing, Sperrmüll, containern). Aber auch wir konsumieren noch Sachen wie Benzin, Katzenfutter und veganen Käse in Plastikverpackungen! Wir würden uns gerne mit anderen austauschen und gemeinsam organisieren, denn die Zivilisation überwindet man nicht allein. Es braucht überall Graswurzelbewegungen und Netzwerke!
Anarchismus in der Praxis
Anarchismus praktisch umgesetzt bedeutet die Übernahme von Verantwortung für unser Handeln und unser Umfeld!
Das heißt, sich mit anderen zusammen selbst zu organisieren und das Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen.
Das heißt, Entscheidungen gemeinsam zu treffen (im Plenum, im Konsens)
Das heißt, die eigenen Privilegien zu reflektieren (welche gesellschaftliche Position habe ich? Stichwort Patriarchat, weiße Vorherrschaft, Eurozentrismus, Anthropozentrismus,…)
Das heißt, ausbeuterische Strukturen wie z.B. Kapitalunternehmen durch Einkauf, Arbeitskraft usw. nicht mehr zu unterstützen. Da wir hier ja im größten Überfluss leben kann man alles, was man braucht, in großen Mengen und perfektem Zustand in Mülltonnen, Tauschregalen, Umsonstläden, Straße, Kleinanzeigen zu verschenken… finden, oder sich mit anderen absprechen und Gebrauchsgegenstände teilen.
Das heißt, die Werte in die Praxis umzusetzen, z.B. Veganismus, geldfrei zu leben wenn es geht (nicht kaufen, keine Miete zahlen, keinen Lohn annehmen, …), Selbstversorgung, sich mit Betroffenen zu organisieren und gemeinsam für die Interessen einzustehen, Probleme anzusprechen, Lebensräume schützen und verteidigen, Freiräume schaffen, …
Wusstest du schon? Zu den anarchistischen Strukturen gehören zum Beispiel auch Nachbarschaftsorganisationen, autonome Zentren wie das SubstAnZ Osnabrück, solidarische Hilfen, Suppenküchen, Repair Cafés, Tauschbörsen, sich gemeinsam um öffentliche Räume zu kümmern, wie es der solidarische Aufbau versucht, mit auf die Kinder der Nachbar:innen und Freund:innen aufzupassen, gemeinschaftliche Wohnprojekte, die Kibbuzbewegung, Wald- und Hausbesetzungen, syndikalistische Gruppen wie die FAU Gewerkschaft, Gesellschaftsstrukturen wie bei den Zapatista oder in Rojava, gegen Ungerechtigkeit einstehen in jedem Kontext, solidarische Landwirtschaft (SoLaWi), Kollektivbetriebe, …